Was wir noch nicht wussten: zu Besuch bei Christine Schmidt

Am 10. Juni besuchten wir Christine Schmidt in Breitenbrunn. Die Regionalforscherin beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte der Todesmärsche durch das Erzgebirge. Wir konnten von ihr viel über die weiteren Todesmärsche, unter anderem aus den Außenlagern Berga/Elster und Lengenfeld (Vogtlandkreis), erfahren. Sie hat unseren Blick dafür geschärft, dass der Todesmarsch mit dem Besteigen des Zugs in Wolfsgrün zwar kein "Marsch" mehr war, jedoch weiterhin viele Menschen das Leben kostete. Bisher beschränkte sich unser Fokus auf die Strecke bis Eibenstock, doch dank Frau Schmidt ist uns das Ausmaß der gesamten Strecke nochmal bewusster geworden.

Christine Schmidt beschäftigt sich außerdem besonders mit den Gräbern von Gefangenen, die ermordet und meist anonym an Ort und Stelle verscharrt wurden. Sie sorgt dafür, dass diese ordentlich gepflegt werden und recherchiert Identitäten, um die Toten aus der Anonymität zu holen. Von ihr erfuhren wir auch über weitere Opfer des Todesmarschs aus Mülsen. Neben der Ermordung der 83 Gefangenen in Niederschlema überlebte nachweislich ein Mensch die Übernachtung in Ortmannsdorf nicht, er wurde auf dem Friedhof in Neuschönburg beigesetzt. Zudem wurde mindestens eine Person während der Übernachtung in Burkhardtsgrün ermordet. Nachdem der Zug in Wolfsgrün losfuhr, gab es einen betriebsbedingten Halt in Muldenberg, dort versuchten Gefangene zu fliehen. Zwei von ihnen wurden erschossen, verscharrt, nach Kriegsende exhumiert und auf dem Friedhof in Schöneck beigesetzt. In Werda wurden vier weitere Menschen verscharrt, von denen angenommen wurde, dass sie auf dem Todesmarsch aus dem KZ-Außenlager im nahegelegenen Lengenfeld waren. Die Toten wurden nach dem Krieg exhumiert und auf dem Friedhof beigesetzt. Dabei wurde ein Protokoll angefertigt und anhand der dort notierten Häftlingsnummern konnte Frau Schmidt mit Hilfe der Häftlingslisten aus Flossenbürg nachvollziehen, dass die Toten aus Mülsen kamen. Auch in Ellefeld gab es ein Opfer, welches verscharrt und später exhumiert wurde. Hier ist eine eindeutige Zuordnung zu einem KZ-Außenlager jedoch nicht möglich, in Frage kommen der Mülsener und der Lengenfelder Todesmarsch.

Frau Schmidt überließ uns außerdem einige Dokumente, die sie bei ihrer Recherche gefunden hat und Informationen über das KZ-Außenlager Mülsen und den Todesmarsch enthalten. Wir sind sehr beeindruckt von ihrer Arbeit und dankbar für das Teilen ihres schier unerschöpflichen Wissens über die Todesmärsche durch das Erzgebirge und ihre Opfer.

Einen kleinen Ausschnitt aus dem Gespräch haben wir auf unseren Instagram und TikTok-Kanälen (denkmal_todesmarsch) hochgeladen.