Gespräche mit Zeitzeug*innen in Hartenstein und Eibenstock

In den letzten Wochen meldeten sich erste Zeitzeug*innen bei uns, die unseren Aufruf in den lokalen Amtsblättern gelesen haben und diesen oder andere Todesmärsche als Kinder beobachtet hatten. Allen hat sich das unheimliche und für sie als Kinder unverständliche Geschehen im April 1945 tief ins Gedächtnis eingebrannt.

Herr Clauß aus Eibenstock berichtete außerdem davon, dass in den letzten Kriegstagen überhaupt kein Raum dafür war, als Kind Fragen zu stellen oder mit Erwachsenen das Gesehene zu besprechen. Im Gegenteil, im Eibenstocker Tageblatt wurde zum Beispiel noch am 27. April propagiert, dass der Krieg zu gewinnen sei. Das Bild der sich durch die Straßen schleppenden Häftlingszüge vermittelte allerdings keinen heroischen Eindruck, sondern schürte bei den Kindern Entsetzen. Noch 80 Jahre später erinnert er sich an den traurigen Anblick und das Klappern der Holzschuhe auf dem Pflaster, das schon von Weitem zu Hören war. Außer den Kindern war kein Erwachsener auf der Straße - vermutlich waren sie von SS-Männern oder Luftwaffensoldaten dazu angewiesen worden, sich in die Häuser zu begeben und nicht hinaus zu schauen. Den Todesmärschen voraus wurden häufig kleinere Trupps der Wachmannschaften geschickt, die die Lage auskundschafteten und auch über solche Anweisungen an die Zivilbevölkerung gibt es Berichte. Der Todesmarsch, den Herr Clauß beobachtete, ist allerdings nicht der aus Mülsen gewesen. Seine Wahrnehmung und Erinnerung deckt sich allerdings mit den meisten Erzählungen über Todesmärsche und vieles ist sicherlich auf den Mülsener Todesmarsch übertragbar.

In Hartenstein sprachen wir mit Herrn Schettler und Frau Taubert über ihre Beobachtungen. Sie sahen die Häftlinge aus Mülsen durch Hartenstein taumeln und berichten ähnliches wie Herr Clauß: der erbärmliche Zustand der Gefangenen, ihr taumelnder Gang, der ihre Entkräftung offenlegte sowie das Klappern der Holzschuhe sind ihnen deutlich im Gedächtnis geblieben.

Zum Glück konnten wir noch mit Zeitzeug*innen sprechen, die sich auch 80 Jahre nach den Geschehnissen daran erinnern und ihre Erfahrungen mit uns teilen wollen. Die persönlichen Berichte sind wertvoll für unsere Arbeit und für die Rekonstruktion der Situation im April 1945.

Kleine Ausschnitte aus den Gesprächen sind auf unserem Instagram- und TikTok-Kanal (denkmal_todesmarsch) zu sehen.

 

Eibenstocker Tageblatt (Notausgabe) No 97 vom Freitag, den 27. April 1945