Jugendgeschichtsprojekt: Mit Rad und Bahn von Mülsen nach Litoměřice

Wie fühlt es sich an, sich auf die Spuren eines Todesmarsches zu begeben – nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem ganzen Körper?
Diese Frage stand im Mittelpunkt des Projekts „Auf den Spuren des Unrechts – Mit Rad und Bahn von Mülsen nach Litoměřice“. Sieben Jugendliche machten sich Anfang Oktober 2025 gemeinsam mit uns auf den Weg – mit Fahrrädern, Rucksäcken und einer großen Portion Neugier.

Der Startpunkt war das ehemalige KZ-Außenlager Mülsen St. Micheln im heutigen Textilwerk. Dort beschäftigten sich die Teilnehmenden mit Berichten von Häftlingen, Angestellten und Anwohnerinnen – ein eindrücklicher Einstieg in das Thema.

 

Anschließend begann das Nachverfolgen der Todesmarschroute per Fahrrad. Die Strecke war anspruchsvoll: steile Anstiege und lange Etappen forderten die Gruppe körperlich heraus. Doch gerade das gemeinsame Fahren, gegenseitige Rücksichtnahme und kleine Pausen unterwegs stärkten den Zusammenhalt und machten die Tour zu einem intensiven Gemeinschaftserlebnis.

Unterwegs besuchten die Jugendlichen die im Frühjahr 2025 neu aufgestellten Informationstafeln und Gedenkorte wie das Mahnmal in Niederschlema, wo 83 KZ-Häftlinge ermordet wurden. Sie arbeiteten mit Zeitzeugenberichten und historischen Quellen und erhielten im Stadtarchiv Schneeberg eine Einführung in die lokale Archivrecherche.

 

Nachdem die Fußmarschstrecke der Häftlinge nachvollzogen war, begab sich die Gruppe weiter auf die Spuren ihres Bahntransports in Richtung des KZ-Außenlagers Leitmeritz. In Werda trafen wir den Ortschronisten, der die Gräber von Häftlingen zeigte, die während eines Fluchtversuchs getötet wurden, und uns weitere Informationen zur lokalen Geschichte übergab.

 

Ab Falkenstein (Vogtland) setzten wir die Reise mit der Bahn fort. In Litoměřice führte uns Karel Rožec zu den Überresten des KZ-Außenlagers Leitmeritz – dem Ziel des Mülsener Transports und vieler weiterer Räumungen sächsischer Außenlager. Am letzten Tag erhielten wir zudem eine Führung durch die Kleine Festung Theresienstadt, wohin mutmaßlich ebenfalls Häftlinge aus Mülsen gebracht wurden.

 

Am Ende waren sich alle einig: Diese Kombination aus Bewegung, Geschichte und Begegnung machte Erinnerung lebendig – sie ließ Geschichte nicht nur begreifen, sondern auch körperlich erfahren, förderte Zusammenhalt, Empathie und ein neues Bewusstsein für das, was sich auf diesen Wegen vor 80 Jahren ereignete – und wird bei allen Beteiligten noch lange nachwirken.