Wie viel wissen wir eigentlich über das Leben unserer Angehörigen während der Zeit des Nationalsozialismus? Oft sind es nur Bruchstücke oder überlieferte Geschichten über Krieg, Gefangenschaft oder die Zeit danach – während andere Aspekte über Jahrzehnte verschwiegen wurden. Der Workshop „Familiengeschichte erforschen“ lud dazu ein, neue Wege im Umgang mit diesen Fragen zu entdecken.
Die Referentin Maria Gleu, die selbst die Geschichte ihrer Familie während der NS-Zeit rekonstruiert hat, zeigte den Teilnehmenden, wie sich Familienforschung praktisch und sensibel verbinden lässt. Sie vermittelte, wie man mit Angehörigen ins Gespräch kommt, Archivauskünfte einholt und auch die emotionalen Dimensionen der Recherche berücksichtigt.
Zum Einstieg stand die Frage im Raum: Woher stammt unser Wissen über NS-Geschichte – und mit welcher „Brille“ blicken wir darauf? Gemeinsam diskutierten die Teilnehmenden Begriffe wie Täter, Mitläufer, Opfer und Widerstand und hinterfragten deren Bedeutung.
Dabei wurde deutlich, wie komplex biografische Verläufe sein können: Reicht die Mitgliedschaft in einer NS-Organisation, um als Täter*in zu gelten? Wann passt der Begriff „Involvierung“ besser? Und was passiert, wenn man den Opferbegriff auf alle vom Krieg Betroffenen ausweitet? Schnell wurde klar, wie wichtig eine sprachliche Trennschärfe bleibt, um einer Täter-Opfer-Umkehr vorzubeugen.
Im zweiten Teil gab Archivleiter Herr Metschke den Teilnehmenden Einblicke in historische Quellen des Stadtarchivs Schneeberg. Anhand von Geburts- und Sterbeurkunden zeigte er, welche Informationen in Archiven verborgen liegen. Die schweren Melde- und Hausbücher aus den Jahren 1910 bis 1940 gaben z. B. Aufschluss darüber, wer früher im eigenen Haus wohnte. Besonders ergiebig sind zudem alte Lokalzeitungen und Aushänge, die in Stadtarchiven aufbewahrt werden. Dort lassen sich häufig Namen, Berufe und Parteizugehörigkeiten nachlesen – ein Schatz für alle, die tiefer in die lokale Geschichte eintauchen möchten.
Die Broschüre "Familiengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus erforschen. Tipps für die Recherche und für Gespräche mit Angehörigen" der Referentin Maria Gleu ist für Interessierte auch online einzusehen:
👉 www.vielfalt-mediathek.de/material/nationalsozialismus/familiengeschichte-erforschen