Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs stieg der Bedarf an Rüstungsgütern und Arbeitskräften. Aus diesem Grund wurden nicht kriegswichtige Produktionen stillgelegt und durch Rüstungsproduktion ersetzt. So auch die ehemalige Textilfabrik „Richard Poenisch Nachf.“ in Mülsen St. Micheln. Hier kam am 27. Januar 1944 der erste Transport von Gefangenen aus dem Stammlager Flossenbürg und den ERLA Maschinenwerken Leipzig an. Um das Gelände wurden ein Stacheldrahtzaun und vier Wachtürme errichtet.
Die Gefangenen waren im Keller untergebracht und produzierten in den darüber liegenden Stockwerken fortan am Fließband Tragflächen für das wichtigste Jagdflugzeug dieser Zeit, die Messerschmitt Bf 109.
Nach dem Verdacht der Sabotage und darauffolgendem Essensentzug zündeten sowjetische Gefangene in der Nacht zum 1. Mai 1944 ihre Strohmatratzen an. Die SS verhinderte die Evakuierung der Häftlinge und erschoss flüchtige Gefangene. Infolgedessen starben 198 KZ-Insassen in Mülsen St. Micheln, mindestens 60 erlitten schwere Brandverletzungen. Danach wurden zwei Baracken auf dem Gelände errichtet.
Der Alltag war von Gewalt und Hunger geprägt. Fast ein Drittel der Gefangenen starb in Mülsen. 51 von ihnen wurden in einer Schlucht unweit der Fabrik verscharrt, in deren Nähe sich heute ein Gedenkstein befindet.
Das Grab wird vom Verein für Ortsgeschichte und Brauchtumspflege Mülsen St. Micheln e. V. gepflegt. Auf der untenstehenden Karte ist der Standort der Grabstätte markiert.
Tadeusz Sobolewicz war Häftling im KZ-Außenlager in Mülsen. Er schildert in seinem bewegenden Buch Aus der Hölle zurück seine Erlebnisse als politischer Häftling in sieben NS-Konzentrations- und Außenlagern, darunter Mülsen St. Micheln. Als junger Widerstandskämpfer wurde er 1941 verhaftet und überlebte unter anderem den Brand in der Nacht zum 1. Mai 1944 im KZ-Außenlager Mülsen. Mit eindringlicher Klarheit beschreibt Sobolewicz den täglichen Kampf ums Überleben, die Grausamkeit des Lageralltags und die ungebrochene Hoffnung auf Freiheit. Ein wichtiges Zeitzeugnis gegen das Vergessen – und eines der ausführlichsten zum Außenlager in Mülsen. Das Buch können Sie hier erwerben.
Das Kapitel über den Brand in Mülsen können Sie sich hier als Audiodatei anhören, eingesprochen von Timo Kinzel.
(c) Mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Verlag GmbH.
Im Besitz des Vereins für Ortsgeschichte und Brauchtumspflege Mülsen St. Micheln (VOB) sind diese zwei Gegenstände. Namentlich unbekannte Gefangene fertigten die Objekte aus Flugzeugstahl an und verschenkten sie an Menschen, die ihnen Lebensmittel zusteckten oder sie anderweitig unterstützten.
Auch Eugene Zinn, der ebenfalls Gefangener in Mülsen St. Micheln war, berichtet von so einer Unterstützung, in seiner Erinnerung durch einen alten SS-Mann (Video 2, Minute 28:55):
Ich werde den einen Alten nie vergessen. Er muss um die 60 Jahre alt gewesen sein, ein SS-Mann. Jeden Tag, brachte mir dieser Kerl ein Stück Brot mit. Jeden Tag. Eines Tages war ich neugierig, ich sagte: "Hör zu, jeder behandelt uns, als ob wir Tiere wären, warum bringst du mir dieses Stück Brot?" - "Ich werde dir was erzählen. Meine Frau stellt sicher, dass ich jeden Tag einem Häftling hier ein Stück Brot mitbringe, weil mein Sohn Gefangener in Russland ist. Und sie sagt: 'wenn du hier ein Stück Brot einem Häftling gibst, wird jemand meinem Sohn ein Stück Brot geben.'" Ich werde diesen Kerl nie vergessen. Es ist, als ob ich ihn jetzt sehen könnte. (Übersetzung: DenkMal!)
Sollten "B.B." die Initialen desjenigen sein, der die Dose hergestellt hat, so kommen diese Gefangenen als Hersteller in Frage:
Bronislaw Balak *01.01.1927
seit dem 12.09.1944 bis zur Räumung in Mülsen St. Micheln, nicht in Leitmeritz registriert
Boleslaw Borsenzkij (Boleslav Borzecki) *07.09.1896
seit dem 10.05.1944 bis zur Räumung in Mülsen St. Micheln, in Leitmeritz registriert